Ziel der Homöopathie: Sanft, schnell, gewiß und dauerhaft heilen
von Heinz Kochursprünglich (1996) verfasst für die Südwest Presse in Ulm, der viertgrößten deutschen Tageszeitung.
Für die einen ist die Homöopathie Scharlatanerie. Für die anderen ist sie ein Segen. Ich meine: Sie ist die "Medizin der Zukunft".
Vor gut 200 Jahren wurde die Homöopathie (wieder-)entdeckt: 1790 machte in Leipzig der Arzt Samuel Hahnemann seinen berühmten Selbstversuch mit Chinarinde, der ihn auf eine neue Idee brachte, kranke Menschen zu heilen. Hahnemanns 1796 in Hufelands "Journal der practischen Arzneykunde" unter dem Titel "Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen" veröffentlichte Gedanken faszinierten zunächst. Im Laufe der Zeit geriet die homöopathische Heilkunst wieder in Vergessenheit. Erst in jüngster Zeit wird sie aus verschiedenen Gründen wieder als Chance begriffen - und zugleich von der etablierten Medizin umso heftiger bekämpft.
Das soll Medizin sein?
Ungewöhnlich: Der Arzt nimmt sich beim ersten Besuch des Patienten eine ganze Stunde Zeit, fragt zwar nach dem Befinden, nach Wehwehchen und Leiden, nach Vorlieben beim Essen und Trinken, will wissen, wie der Patient gewöhnlich schläft, durchleuchtet ihn also durch und durch - und gibt ihm am Ende gar keine Medizin. Oder nur zwei, drei winzige Kügelchen. Das soll Medizin sein? So fragt sich der Patient.
Ja, das ist die Medizin der "klassischen Homöopathie", welche der griechische Arzt und Spitzenhomöopath Georges Vithoulkas preist als "Medizin der Zukunft". Tatsächlich interessieren sich immer mehr Patienten dafür. Auch immer mehr Ärzte, die in manchen Krankheitsfällen mit ihrem herkömmlichen Medizinerlatein nicht weiterkommen, befassen sich mit dieser Art des Heilens, welche den ganzen Menschen erfassen will. In der Homöopathie sind Gesundheit und Krankheit nur wie zwei Seiten einer Medaille.
Der Fall Giuliano
Als Giuliano, damals acht Jahre alt, vor neun Jahren mit einer chronischen Bronchitis, mit sieben Allergien und mit Neurodermitis erstmals zu einem klassischen Homöopathen ging, hatte er schon einiges hinter sich: Umständliche Salbenprozeduren, falsche Therapien bei einer Pseudo-Homöopathin, aufwendige Allergietests, danach die Desensibilisierung gegen die Hausstaubmilbe. Allein die Ampullen dazu hatten im Quartal rund 500 Mark gekostet, die Ampullen mit Sprühmittel als Hilfe bei den Asthma-Anfällen kosteten knapp 100 Mark und hielten keinen Monat.
Parallel dazu war aufwendig das Schlafzimmer "sterilisiert" worden, hatten die Eltern die Teppichböden durch Holzböden ersetzen lassen, ein Asthmatiker-Bett angeschafft. Dennoch muß Giuliano eines Nachts als Notfall in die Klinik, bleibt dort drei Tage am Tropf. Die Ärzte zucken mit den Schultern, raten zum Umzug in Orte mit Reizklima; die Eltern spielen ernsthaft mit dem Gedanken, von Süddeutschland an die Norsee zu ziehen. Dann bekommen sie den Tip, sich einem klassischen Homöopathen anzuvertrauen.
Tip ist goldrichtig
Dieser Tip erweist sich als goldrichtig. Giuliano ist bereits ein Jahr später seine Neurodermitis los. Im Laufe der ersten drei Jahre bessert sich auch die chronische Bronchitis von Besuch zu Besuch. Es gab immer mal wieder Luftprobleme. Da wurde dann wieder gesprüht. Aber in den letzten vier Jahren kommt Giuliano mit einer Sprühflasche im Jahr aus, die er in den letzten beiden Jahren nur der Vorsicht halber mit sich führt aber praktisch nicht mehr benutzt hat. Der erste Arztbesuch hat 200 Mark gekostet, die weiteren Besuche zwischen (anfänglich) 65 bis (heute rund) 100 Mark, einschließlich Arzneien.
Was hatte der homöopathische Arzt, der streng nach Hahnemann arbeitet, gemacht? Er sah sich die Neurodermitis oberflächlich und mit mäßigem Interesse an, horchte mit dem üblichen Gerät die Brust ab und fragte ansonsten, ob der Bub gern in die Schule geht, wann es am meisten in den Bronchien rasselt, morgens, abends oder nachts, ob Giuliano leicht schwitzt, ob er im Schlaf lacht, Süßes lieber mag als Salziges, ob er Warzen unterm Fuß oder sonstwo hat, auf welcher Seite er (ein-)schläft und vieles mehr. Dabei blätterte der Doktor immer wieder in ein paar alten, abgegriffenen Büchern. Nach rund einer Stunde gab er dem Buben vier oder fünf Kügelchen, die er unter der Zunge zergehen lassen sollte und verabschiedete den Patienten: "Bis in drei Monaten. Wenn vorher irgendetwas ist - bitte anrufen."
Zwei chronische Krankheiten geheilt
Es war in den neun Jahren immer mal was, dann tat es mal ein Anruf und die Ferntherapie. Mal war es auch notwendig, wegen akuter Erkrankung in die Praxis zu fahren. Aber im Prinzip ist Giuliano, der heute etwa dreimal im Jahr zu seinem Arzt fährt, geheilt. Ein Erfolg der Homöopathie also bei zwei Krankheiten, bei denen Schulmediziner allenfalls die Symptome bekämpfen (können), weil sie bis heute die Ursache gar nicht kennen. Dr. Gerhardus Lang (Foto) aus Boll, eine der raren Kapazitäten der klassischen Homöopathie, ist überzeugt: "Bei entsprechendem Können ist ein Homöopath in der Lage, alle chronischen Leiden zu heilen."
Ein anderer Fall: Heinrich Otto (51) ist wegen Psoriasis (Schuppenflechte) zum Homöopathen gegangen. 20 Jahre hat er Cortison auf die Kopfhaut und anderswohin geschüttet und gestrichen, hat heiß gebadet, mit und ohne Salz vom Toten Meer, Spiritusverdünnungen angewandt. Und hat gelitten. Nachdem beim Sport unter der Dusche dann ängstliche Kollegen fragten, ob die geröteten Stellen mit Aids zu tun haben, hatte er solche Situationen gemieden, den Sport aufgegeben. Anderthalb Jahre nach der ersten homöopathischen Behandlung war die Schuppenflechte in deutlichem Heilungsprozeß. Ganz verschwunden waren seine Hämorrhiden, Fußpilz und Schweißfüße. Seine Migräneanfälle sind nur noch selten und erträglich. Heute, nach rund acht Jahren sind die Schuppenflechte-Stellen zum Teil abgeheilt beziehungsweise deutlich reduziert.
Homöopath sucht nicht nach Ursachen
Wie das? Was hat der Arzt wogegen eingesetzt? Die Frage ist falsch gestellt! Der Homöopath sucht nie nach einer Ursache einer einzelnen Krankheit, um etwas dagegen einzusetzen. Während die Schulmedizin noch immer dem Kausalitätsprinzip verpflichtet ist, geht der Homöopath von der Annahme das,
"daß das, was man 'Krankheitsprozeß' nennt, eine bestimmte Form der Reaktion des Organismus auf einen schädlichen Reiz aus seiner Innen- oder Außenwelt ist, also ein Versuch, die Gesundheit wieder herzustellen. Die Homöopathen haben dieses Reaktionsvermögen als körperliche Abwehr, als Lebenskraft oder Selbstheilungskräfte beschrieben. Die Annahme von körpereigenen Selbstheilungskräften ist sehr wichtig für die homöopathische Therapie, da sie zu einer ganz bestimmten Interpretation des Symptoms zwingt." (Catherine R. Coulter in der Einleitung zu ihrem Buch "Portraits homöopathischer Arzneimittel")
In Bezug auf die Mittel hatte Hahnemann (1750 - 1832) als Begründer der modernen Homöopathie gefordert: "Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen." Seine Anhänger gehen wie er davon aus, daß die Kräfte, welche den verschiedenen Substanzen innewohnen, sowohl Krankheit als auch Gesundheit bewirken können.
Hahnemann war erster Arzneimittelforscher
Hahnemann, welcher Mediziner, Chemiker und Apotheker war, hat nicht nur als erster das in der Volksheilkunde bekannte ähnlichkeitsprinzip systematisch erforscht, sondern damit überhaupt als erster mit wissenschaftlicher Akribie Arzneimittelforschung betrieben. Bis dahin war Medizin Quacksalberei. Die These war: Krankheit ist in den Menschen hineingelangt und muß wieder ausgetrieben werden, mit Klistieren, mit Schröpfen, mit Gift (zum Spucken), mit Schwitzen - oder mit Exorzismus.
Hahnemann war dieser Medizin gegenüber nicht nur skeptisch, er weigerte sich sogar als Arzt weiterzuarbeiten, weil er mit diesen Mitteln nicht kurieren konnte. So arbeitete er zum Beispiel als übersetzer medizinischer Texte. Dabei fand er in einem englischen Text die Behauptung, die Chinarinde sei ein probates Anti-Malaria-Mittel, weil sie die Magennerven positiv beeinflusse. Er, der früher selbst einmal eine Malaria überstanden hatte, wollte nun neugierig die Wirkung von Chinarinde an sich selbst beobachten. Er nahm das Mittel ein und stellte fest: Er hatte plötzlich Malaria-Symptome.
Damit begann alles. Hahnemann ging intuitiv von der These aus: Eine Substanz, die bestimmte Symptome bei einem Gesunden hervorruft, hilft einem Kranken, der diese Symptome hat, zu gesunden. Als nächstes testete er Belladonna. Weil dieses Mittel, von einem Gesunden eingenommen, diesen wie einen Scharlachkranken aussehen läßt, wendet Hahnemann es als Arznei bei von Scharlach Befallenen an - und hat herausragenden Erfolg damit.
Jetzt probiert Hahnemann alle ihm bekannten Substanzen, um festzustellen, welche Reaktionen zu beobachten sind. Seine dezidierten Erkenntnisse faßt er in seinem Werk "Reine Arzneimittellehre" zusammen. Ein weiteres Werk ist das in 240 Paragraphen gegliederte "Organon der rationellen Heilkunde" (später "Organon der Heilkunst"), welches die Methode der homöopatischen Heilkunst beschreibt.
Auf die Potenz kommt's an
Homöopathische Heilmittel sind - das weiß heute beinahe jeder - sehr verdünnt und verschüttelt ("potenziert"). Je mehr sie verdünnt sind, desto wirksamer sind sie. Hoch-Potenzen (LM- oder Q-Potenzen) werden eingesetzt bei chronischen Krankheiten und als grundsätzliches (Konstitutions-)Mittel. Bei akuten Krankheiten werden weniger verdünnte Mittel (C-Potenzen oder D-Potenzen) verwendet. Die Herstellung ist sehr wichtig und für den Therapie-Erfolg entscheidend. Deshalb sucht sich der klassische Homöopath den Lieferanten seines Vetrauens sehr sorgfältig aus. Weil mit herkömmlichen Meßmethoden in homöopathischen Heilmitteln kein Molekül der ursprünglichen Materie mehr nachgewiesen werden kann, wird der an der ursprünglichen, schulmedizinischen Arzneimittel-Definition Hängende die Homöopathie immer als Scharlatanerie abtun. Dabei wird vergessen, daß möglicherweise die physikalischen Meßinstrumente für diese Art der Information ungeeignet sind. Vielleicht ist der Körper als biologisches Meßinstrument viel sensibler.
Neues wissenschaftliches Denken
Immerhin ist mit der Quantenmechanik unser rein physikalisch bestimmtes Weltbild in Frage gestellt worden. Das Prinzip "Gleibe Ursache, gleiche Wirkung" ist obsolet. Auch die Hilfskonstruktion "ähnliche Ursache, ähnliche Wirkung" kann vergessen werden. Das mit der nichtlinearen Dynamik gefundene Gesetz "ähnliche Ursache, höchst unterschiedliche Wirkung; und: kleinste Ursache, größte Wirkung" spricht eher dafür, daß in einem modernen Wissenschaftsverständnis auch die Homöopathie aus dem Zwielicht, in das sie die Schulmedizin gerne stellen will, herausgeholt werden muß.
Forschungen in Labors in Frankreich, Israel, Italien und Kanada erbrachten erstaunliche Ergebnisse: Eine wäßrige Lösung von Antikörpern, die so lange verdünnt worden ist, bis nach größter Wahrscheinlichkeit kein einziges dieser Protein-Moleküle mehr enthalten sein kann, ruft dennoch die gleichen biologischen Reaktionen hervor, wie sie von Antikörpern provoziert wird. Und noch erstaunlicher: Bei einer der bei homöopathischen Heilmitteln ganz ähnlichen Verdünnung bleibt die Reaktion mal aus - und bei weiterer Verdünnung erfolgt sie dann wieder, und so weiter im bestimmten Rhythmus.
"Ein Nichts mit Folgen" überschrieb "Die Zeit" einen Bericht über diese Forschungen. Doch wer Wirksamkeit nicht mit meßbaren, fühlbaren oder sonstwie erkennbaren Wirkungen verwechselt, wird gerade unter Einbeziehung moderner physikalischer Erkenntnisse die Wirksamkeit eines "Nichts" akzeptieren.
Wirksamkeit erwiesen
Inzwischen gibt es jede Menge Untersuchungen über die Wirksamkeit von homöopathischen Mitteln bei Tieren und Pflanzen. Bei denen fällt ja der bei Menschen so gern unterstellte Placebo-Effekt weg. Auch Kleinkinder können homöopathisch bestens behandelt werden, besser als Erwachsene, die ja gewöhnlich mit vielen Mitteln wie Penicillin, mit verschiedensten Antibiotika kontaminiert sind. Auch die vielen Heilungserfolge, die niemand wissenschaftlich dokumentieren möchte, sind mindestens Indiz für die Wirksamkeit der Homöopathie. Doch noch immer darf sich kein Homöopath habilitieren, wird die Homöopathie mit dem "Argument", sie sei unwissenschaftlich, von den Hochschulen ferngehalten.
Mit ganz einfachen Mitteln wird dem Durchschnittsbürger diese Therapie vorenthalten: Die Kassen zahlen nicht. Zwar hat der in unseren Beispielen erwähnte Heinrich Otto für sich, seinen Sohn Giuliano, seine Frau und eine Tochter ein ganzes Jahr nur 1.000 Mark für Arzt und Arzneien ausgegeben (allein das Asthmamittel hätte bei konventioneller schulmedizinischer Behandlung mehr gekostet), aber die Kasse erstattet nicht (mehr). Dabei zahlt die Familie im Monat weit mehr als das, was sie im Jahr verbraucht, an die Krankenkasse. Berechnungen zeigen, daß eine homöopathische Arztpraxis weniger als 20 Prozent der normalen Kosten ein Praxis verursacht. Weil geheilt wird! Auch Chronisches! Weil nicht soviel überwiesen und ins Krankenhaus eingewiesen wird! Weil nicht so viele Nebenkosten durch Apparate, die amortisieren müssen, entstehen!
Was kostet in der Homöopathie? Die Zeit, die der Arzt aufwendet. Wer sich eine Stunde mit einem Patienten befaßt, muß dafür mehr bekommen als die üblichen 18 Mark. Das will man nicht einsehen. Also zahlt man nicht, sondern läßt die Patienten selber löhnen. Dafür wird alles getragen, was als Folge des Rauchens beispielsweise anfällt. Jeder kann sich gesundheitlich ruinieren, durch übertriebenen Sport zum Beispiel, macht nichts! Wenn er zum Kassenarzt geht, löhnt die Kasse. Wer sich beim Homöopathen heilen läßt und dabei anfängt, bewußter (gesünder) zu leben, Hausmittel anzuwenden, sich besser zu ernähren und Süchte (Kaffee, Nikotin, Alkohol) hinter sich zu lassen - der wird von der Solidar-Gemeinschaft, für die er kräftig berappt, alleingelassen und muß die bessere Therapie zusätzlich bezahlen. Aber: Wir müssen ja über unser teures Gesundheitswesen jammern! Und wir müssen Pharma-Industrie und Kassen-Funktionäre durchfüttern!