Vorweg zwei einschlägige Links:
Chaos-Theorie
in Kürze und
Interview
mit Proessor Hans Primas
Chaos: Die Ordnung, die wir
(noch) nicht durchschauen
Heinz Koch über eine (damals ganz junge) Wissenschaft
und ihre erstaunlichen Erkenntnisse, veröffenlicht
in der Südwest Presse (Ulm) 1990
Nach der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik
ist die Chaos-Physik der dritte bedeutende naturwissenschaftliche
Forschungsbereich des 20. Jahrhunderts, "Chaos" erweitert
nicht nur das naturwissenschaftliche Denken, sondern könnte
auch neue Antworten auf grundlegende Fragen menschlicher Existenz
finden (helfen), eine andere Weltanschauung gewinnen lassen
und somit gar der im Wissenschaftsgeschichtlichen versumpften
Philosophie innovativen Schub geben.
Alles Lebendige fließt und verändert
sich unweigerlich und unwiderruflich. Leben ist unberechenbar,
unkontrollierbar, ist spontan und einmalig, mit einem Wort:
chaotisch.
Eine neue Weltsicht
"Chaos ist überall...und es funktioniert"
heißt ein Buch von Gregor Morfill und Herbert Scheingraber.
Hier schreiben keine Szene-Flippies irgendwelche Fictions. Die
beiden Autoren sind profilierte Naturwissenschaftler am Münchener
"Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik".
Ihre Erkenntnisse aus der Chaosforschung lassen sie nichts weniger
gewinnen als "Eine neue Weltsicht", wie der Untertitel
des bei Ullstein verlegten Buches lautet.
Quentchen Lust zur Spekulation
Ein schöner Begriff - "Chaos".
Das zieht, macht neugierig. Dabei hat dieser neue Wissenschaftszweig
zunächst mal viel mit nüchterner Mathematik zu tun,
dann aber - bei einem Quentchen Lust zur Spekulation - mit weit
mehr.
Erst mit Aufkommen der Computer konnte "unser"
Chaos entdeckt werden. Die schnellen und superschnellen Elektronenrechner
erschüttern einerseits bestimmte Allmachtsphantasien sowie
unseren Glauben in mathematisch- naturwissenschaftlich betonierte
Wahrheiten; andererseits verhelfen sie uns, der Ordnung im scheinbaren
Durcheinander komplexer Systeme auf die Spur zu kommen.
Folgenschwere Entdeckung
An einem Wintertag des Jahres 1961 sitzt der
amerikanische Wissenschaftler Edward Lorenz vor seiner elektronischen
Rechenmaschine. Er ist Metereologe und Mathematiker, eine Voraussetzung,
ohne die er seine folgenschwere Entdeckung an diesem Tage niemals
hätte machen können.
Lorenz simuliert im Computer Wetterabläufe.
An diesem Tage will er zur Kontrolle eine Zeit "zurückgehen",
und den Apparat eine bestimmte Sequenz noch einmal rechnen lassen,
die er schon mal "ausgespuckt" hatte. Aber: Lorenz
gibt als Rechenbasis nicht die im "Gedächtnis"
des Computer gespeicherte Zahl mit sechs Dezimalstellen (0.506127)
ein, sondern rundet nach alter Mathematikersitte und tippt nur
0.506. Dann will er dem Lärm der Maschine entfliehen und
geht eine Tasse Kaffee trinken.
Als er wiederkommt und die beiden errechneten
und graphisch ausgedruckten Kurven vergleicht, stellt er zu
seinem höchsten Erstaunen fest, daß die aus seiner
Sicht äußerst geringe Abweichung der Eingabedaten
höchst unterschiedliche Ergebnisse gebracht hat. Von nahezu
denselben Ausgangsdaten ausgehend, hat der Computer Kurven errechnet,
die immer weiter und weiter von einander abweichen, bis sie
zuletzt keine Gemeinsamkeit mehr zeigen.
Lorenz, der zunächst an einen Defekt seines
Gerätes glaubt, erkennt als erster die verhängnisvollen
Folgen, die Rundungsfehler in Computer haben können: Kleinste
Abweichungen können zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen
führen.
Der klassische Mathematiker arbeitete ganz einfach,
benutzte "nur" sein Gehirn. Langsam ging das, langsam...
Im Grunde konnte ein Mensch ohne Computer gar nicht viel rechnen.
Deshalb wurden Berechnungen drastisch vereinfacht, kleine Abweichungen
vernachlässigt.
Die Wirklichkeit ist nichtlinear
Schlichtweg ganz ausgeblendet wurden alle nichtlinearen
Phänomene, obwohl man wußte: Die Wirklichkeit ist
nichtlinear. Man befaßte sich nur mit den linearen Phänomenen.
Für die gab es immer eine Lösung.
"In der Theorie haben alle Zahlen unendliche
Genauigkeit", erläutert Professor Rüdiger Seydel
(50) von der Abteilung Numerik an der Universität Ulm.
Er ist vor rund 25 Jahren erstmals auf nichtlineare Phänomene
aufmerksam geworden, ist als Wissenschaftler bei der Chaos-Forschung
fast von Anfang an dabei. Seydel: "Im Rechner gibt es aber
nur endlich viele Stellen. Deswegen sind Fehler zwangsläufig
Rundungsfehler."
Die aber, so die neue Erkenntnis, können
sich eben ganz erheblich auswirken.
"Und das ist keinesfalls nur ein Problem
des Computers", sagt Professor Seydel. "überall
in der Natur und in der Technik hat man kleine Abweichungen.
Kleine Störungen sind immer da. Und bei Instabilität
des Systems wirken die sich aus, können dramatische Folgen
nach sich ziehen, Chaos."
Chaos - scheinbar regel-loses System
Was ist Chaos? Zunächst ist Chaos: die
Ordnung, die wir (noch) nicht durchschauen. Von Chaos redet
man, wenn ein System regel-los erscheint, wenn man keinerlei
Erkenntnis hat über die Systematik eines Systems, wenn
der jeweils nächste Meßpunkt nicht prognostiziert
werden kann.
Inzwischen weiß man: Fast alle zunächst
regelmäßigen Entwicklungen können in diesem
Sinne in Chaos umschlagen, wenn sich gewisse (sogar geringfügige)
Einflußgrößen ändern. Ein erster Hinweis
ist es, wenn eine Meßkurve, die bisher regelmäßig
verlief, sich an einem Meßpunkt verzweigt. Eine solche
Verzweigung (Bifurkation)
ist der Mechanismus, wie nichtlineare Phänomene ineinander
übergehen.
Herkömmliche Prognose-Methoden
überholt
Über 900 Sicherheitsexperten (Stand Oktober
93) beschäftigt die Firma Hoechst in ihrem Frankfurter
Stammwerk. Dennoch gab es dort eine Serie schwerer Unfälle.
Die Öffentlichkeit war erschreckt. Man fragte sich, ob
man die Risiken nicht besser hätte vorausberechnen können.
"Auf keinen Fall mit den alten Prognose-Methoden",
sagt Seydel, der 1977 mit der Arbeit promoviert hat "Numerische
Berechnungen von Verzweigungspunkten".
Der Numeriker kann die kritischen Punkte, in
denen eine solche chaotische Lösung ansteht, berechnen.
Voraussetzung: Er hat ein Modell, das brauchbar genug ist. Da
kann er dann alle möglichen Einflußgrößen
(Parameter) ändern und sich die entsprechenden Ergebnisse
vorrechnen lassen. Er kann sich an die Bifurkationen, an die
Stellen, an denen Chaos eintreten kann, heranrechnen und so
möglicherweise helfen, kritische Ergebnisse zu vermeiden.
Zumindest in zahlreichen technischen Bereichen
könnte man mit diesen Verfahren schon bessere Ergebnisse
erzielen als mit den herkömmlichen Methoden der Risiko-Berechnung.
So kann man beispielsweise rechnen, wie sich ein ICE verhält,
wenn sich die Geschwindigkeit erhöht, kann prognostizieren,
daß er bei einer bestimmten Geschwindigkeit unangenehm
gleichmäßig ins seitwärtige Schaukeln kommt,
und kann im Modell simulieren, wie mit Hilfe einer technischen
Manipulation das Schaukeln so unregelmäßig, also
chaotisch, wird, daß die Fahrgäste lediglich eine
Vibration wahrnehmen, aber nicht hin- und hergeworfen werden.
Interdisziplinäres Arbeiten unabdingbar
So könnte mit Hilfe der neuen Ansätze
schon manches einfachere Problem gelöst werden. Aber dazu
müßte interdisziplinär gearbeitet werden. Und
da gibt es mehr Reibungsverluste als der Laie ahnt. Dazu sind
die Möglichkeiten von "Chaos" potentiellen Bedarfsträgern
noch zu unbekannt.
Schwieriger wird es dagegen bei komplexeren
Problemstellungen. Zum einen gelingt es da nicht einmal ansatzweise,
ein Modell zu schaffen; wer wollte sich auch anmaßen,
die Einflußgrößen zu erfassen und zu modellieren,
die beispielsweise ein Biotop bestimmen. Zum anderen fällt
hier mehr insGewicht, daß es uns nicht gelingt, uns von
irrigen Vorstellungen zu befreien, die unser Weltbild bestimmen.
Im Grunde folgen wir heute noch immer der 200
Jahre alten Vorstellung des Mathematikers und Philosophen Laplace:
Die Welt ist eine Maschine. Seiner Meinung nach brauchen wir
"nur" die "höchste Intelligenz", mit
deren Hilfe wir die Teile erforschen, um damit auch das Ganze
und seine Gesetzmäßigkeiten zu begreifen und: zu
be-herr-schen. Nach dem Prinzip: "Gleiche Ursachen haben
gleiche Wirkung."
So ziemlich spurlos ist dabei an der breiten
Öffentlichkeit vorbeigegangen, daß schon auf Grund
der Erkenntnisse der Quantentheorie zu der Abschwächung
gegriffen wurde: "Ähnliche Ursachen haben ähnliche
Wirkung."
Alle Prognosen auf Sand gebaut
Heute, im Lichte von Chaos, muß es heißen:
"Ähnliche Ursachen können höchst unterschiedliche
Wirkung haben." Und: "Kleinste Ursachen können
größte Wirkung haben." Chaos rüttelt an
der Welt des universal Gültigen, des Regelhaften, der Vorherseh-
und Vorhersagbaren. Chaos-Extremisten sagen: "Alle Prognosen
sind auf Sand gebaut. Alle!"
So formuliert ein Physiker: "Die Relativitätstheorie
beendete die Newtonsche Illusion von Zeit und Raum als absoluten
Kategorien; die Quantentheorie setzte dem Newtonschen Traum
von einem exakt krontrollierbaren Meßprozeß ein
Ende; und nun erledigt die Chaostheorie Laplaces Utopie deterministischer
Voraussagbarkeit."
Gegen den wissenschaftlichen Pessimismus
Der Brite Paul Davies, Professor für theoretische
Physik, schreibt in seinem Buch "Prinzip Chaos" (Goldmann)
mit dem Untertitel "Die neue Ordnung des Kosmos" unter
anderem: "Drei Jahrhunderte lang waren in der Naturwissenschaft,
sei es der Newtonschen Physik oder der Thermodynamik, die Paradigmen
bestimmend, nach denen das Universum entweder eine sterile Maschine
war oder sich im Zustand des Niedergangs und des Verfalls befand."
Gegen dies pessimistische Degenerationsthese stellt die Chaosforschung
"das Paradigma des schöpferischen Universums, nach
dem die physikalischen Vorgänge etwas Progressives, Innovatives
haben".
Chaoten ist das Leben wichtig
Der Chaos-Forschung ist das wichtig, was aus
Sicht der klassischen Experimental-Forscher eben heillos ungeordnet,
"chaotisch" (im umgangssprachlichen Sinne) ist, letztlich
also: das Leben. Und zwar das Leben als Ganzes. Dabei interessiert
mehr der Makrokosmos als der Mikrokosmos.
Der Wissenschaftsredakteurder "New York
Times", James Gleick, erklärt in seinem Buch "Chaos
- die Ordnung des Universums" (Knaur-Sachbuch): Die Chaos-Physik
"dringt bis in die verborgendsten Bereiche der Wissenschaft
vor: in die Ordnung von Turbulenzen, Konfusionen und eher zufälligen
Gesetzmäßigkeiten".
Mechanistische Erklärungsmuster
sind falsch
Der Mensch ist ein biologisches "System"
und wie alle biologischen Systeme komplex, labil, dynamisch
und unendlich-dimensional. Da müssen mechanistische Erklärungsmuster
für Krankheit und Heilung falsch sein. Die wurden erfunden,
um die Medizin mit der Zeit aus dem Ruch der Quacksalberei zu
befreien und sie mählich den exakten Naturwissenschaften
gleichzustellen. Aber: Menschliche Individuen (und andere biologische
Systeme) sind nicht über einen Kamm zu scheren. Gleiche
Ursachen sind nicht festzustellen. Deshalb gibt es das Patentrezept
nirgendwo. Dennoch wird in der heutigen Medizin dieses überholte
Prinzip weiterhin millionenfach zu Tode geritten.
Das Leben ist Chaos. Ordnung ist Tod. Gesundheit
ist, darauf deutet alles hin, mit instabilen, "chaotischen"
Schwingungen verbunden. So muß ein gesundes Herz unregelmäßig
schlagen. Die genaue Analyse des des gesunden Herzrhythmus mit
Hilfe der Numerik zeigt eine "chaotische" Struktur.
Bei einem mechanisch tickenden Herzen dagegen
ergäbe das "graphische Phasenportrait" nur einen
kleinen Punkt. Ein Herz, das so gleichförmig schlägt
wie ein Metronom, wurde bei Menschen beobachtet, die von einem
plötzlichen Herzstillstand bedroht wurden.
Chaos-Forscher überall
Beim Lesen des "Who-is-who-Handbuchs zur
nichtlinearen Dynamik", herausgegeben von der "Chaos-Gruppe.
Verein zur Förderung der Erforschung nichtlinearer Dynamik"
an der Technischen Universität München, wird klar:
Chaos-Forschung wird schon überall betrieben, in der Soziologie,
der Kriminologie, der Medizin, der Biologie, der Wirtschaftswissenschaft,
der Pädagogik, der Politikwissenschaft, bei der Verkehrsplanung,
ja, sogar an der Sporthochschule.
Chaos widerlegt Marx
Was Wunder, daß vor dem Hintergrund der
Chaos-Forschung auch die Philosophie neue Ansätze formuliert.
Hegel hatte uns gelehrt: Die Geschichte sei der Prozeß
der Annäherung der Realität an die Idee. Wir Menschen
seien Objekte dieser Entwicklung, Spielbälle. Marx hatte
Hegel "vom Kopf auf die Füße gestellt"
und behauptet: Mit Hilfe der Wissenschaft seien die objektiven
Gesetzmäßigkeiten der Geschichte zu erfassen. So
werde der Mensch Subjekt und könne dem Rad der Geschichte
in die Speichen greifen, den Gang der Geschichte steuern.
Bekanntlich wußten und wissen die Anhänger
des Karl Marx das Ende der Geschichte vorauszusagen: eine klassenlose
(kommunistische) Gesellschaft. Das sei eine objektive, wissenschaftlich
erwiesene Tatsache. Weil die marxistisch-leninistische Partei
der Arbeiterklasse um diese objektive Gesetzmäßigkeit
der Geschichte wisse und die Mechanismen des Ablaufs kenne,
sei sie zur absoluten Führung im Staat berechtigt und befähigt,
argumentierten die Kommunisten zum Beispiel in der DDR und schrieben
die führende Rolle der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands
(SED) im Artikel 1 der DDR-Verfassung fest.
Schon wer sich oberflächlich befaßt,
wird leicht erkennen: Diese Ideologie gehört, wie manche
andere weltanschauliche Theorie, auf den Müll der Geschichte.
Totale Planung biologischer Systeme (Gesellschaften) ist nicht
möglich. Die Chaos-Forschung läßt leichter erkennen,
weshalb das politische System des Kommunismus scheitern mußte.
Chaos liefert die Argumente, wissenschaftlich, weshalb es mit
der Wissenschaftlichkeit dieser Weltanschauung nicht weit her
war. Hegel und Marx waren Kinder der mechanistischen Epoche,
kannten Newton und Laplace, hatten aber keinen Computer und
wußten nichts von Chaos.
Chaos räumt mit Determinismus, Kausalismus
und Reduktionismus auf. Aus vorbei! Auch im Weltanschaulichen.
Niemand ist in der Lage, Gesellschaften planmäßig
auf (s)ein Ziel hin zu verändern.
Kosmologen auf Chaos-Trip
Auch Kosmologen (die derzeit Konjunktur haben,
nachdem die Teilchen-Physik immer teurer geworden ist und wenig
umwerfende Erkenntnisse bringt) finden mit Chaos zu neue Hypothesen.
Sie nehmen Abstand vom Standardmodell des Urknalls, mutmaßen,
die Schöpfung wiederhole sich, es herrsche immer noch Chaos,
innerhalb wie außerhalb des Kosmos. Nach der Auffassung
des russischen Kosmologen Andrei Linde gibt es im Universum
Plätze, an denen immer neue Universen entstehen, wie Seifenblasen
in einem blubbernden Schaumbad.
Biss in den Apfel der Erkenntnis
Solche Erkenntnisse, fremd und neu, machen Angst,
wie alles Fremde und Neue. Von alters her reagiert der Mensch
in solchen Fällen mit Flucht oder Aggression. Der moderne
Zeitgenosse will sich gegen alle möglichen Überraschungen
absichern. Wissenschaft war stets nichts weiter als der Versuch,
doch in den berühmten Apfel vom berühmten Baum der
Erkenntnis zu beißen.
Vielleicht ist es an der Zeit zu lernen, die
nächsten 400 Jahre mit Chaos zu leben, ohne seine Struktur
erfassen zu können, Unsicherheiten zu ertragen, Nichtwissen
hinzunehmen.
Der Mensch ist frei - und verantwortlich
Immerhin: Wenn kleinste Ursachen größte
Wirkung haben können, sind Resignation und Gleichgültigkeit
des Menschen gegenüber den Verhältnissen völlig
unangebracht. Gehirnforscher wie der Chilene Umberto Maturana
oder der US-Amerikaner Roger Sperry (Medizin-Nobelpreis 1981)
gehen aufgrund ihrer Forschungsergebnisse davon aus, daß
der Mensch prinzipiell absolut frei ist - und deswegen für
sein Tun verantwortlich.
Der Mensch weiß zwar nicht, wie die Zukunft
aussieht, kann sich auf keine Prognose verlassen und soll sich
auch mit dieser Situation abfinden. Aber er kann an Bifurkations-Punkten
entscheiden, in welche Richtung er gehen will. Er hat damit
Verantwortung für die Welt zu tragen.
Immer wieder haben einzelne Menschen mit ihren
Ideen und mit ihren Taten die Geschicke ganzer Völker bestimmt.
Das
Bild für Chaos ist: Der Flügelschlag eines Schmetterlings
in Peking kann Ursache sein für einen Hurrikan, der Wochen
später über Florida fegt (kleinste Ursache, größte
Wirkung). Lohnte es dann nicht, ab und zu mehr mit den Flügeln
zu schlagen, statt hedonistisch den Rest des Nektars zu saugen?
Die beiden Physiker Gregor Morfill und Herbert
Scheingraber ziehen das Fazit ihrer Chaos-Forschung: "Wir
sind keine willenlosen Automaten im Ablauf eines Uhrwerks, und
wir sind auch nicht Spielbälle eines Zufalls, sondern gestaltete
und gestaltende Teilnehmer eines offenen, dynamischen Systems."
Und: "Sowohl das Individuum als auch die ganze Menschheit
sind mit ihrem Handeln verantwortlich für künftige
Ereignisse."