|
"EiferSucht"
Drama für drei Faxmaschinen von Esther
Vilar, Premiere: März 03
Helen: Tine Riese; Hannelore Jäger
Yana: Claudia Riese
Iris: Julia Koch; Joana Dentler
Regie: Heinz Koch
Kostüme: Claudia Riese
Bühne:Claudia Riese
Eifersucht ist eine Leidenschaft,
die mit Eifer sucht,
was Leiden schafft.
Friedrich Schleiermacher
Publikumsstimmen
|
Zum Stück
Das Stück „EiferSucht“ behandelt das Thema Eifersucht
auf besonders raffinierte Weise. Drei Frauen (Helen; Yana; Iris)
und ein Mann. Er, Lazlo, ist seit 18 Jahren mit Helen verheiratet,
was ihn nicht hindert, sich erst mit Yana einzulassen, um diese
dann wenig später auch zu verlassen, wegen Iris. Die drei
Frauen wohnen im selben Hochhaus. Sie bekommen irgendwie von einander
und von der Untreue Lazlos Wind, treffen sich aber nicht, sondern
schreiben sich Faxe, böse, verzweifelte, sarkastische, witzige,
emotionale, argumentative, bissige, in jeder Tonart. Es geht um
große Gefühle, Liebe und - das noch größere:
EiferSucht. Vor allem das Finale ist furios. Doch in letzter Konsequenz
ist das Objekt der EiferSucht, der Mann, der eigentliche Verlierer.
Von (s)einer Frau zurückerobert, verliert er seinen Wert.
Am 16. September 1935 wird Esther Vilar in Buenos
Aires geboren. Ihr Vater musste aufgrund seiner jüdischen
Abstammung nach Argentinien emigrieren, ihre – ebenfalls
deutsche – Mutter begleitete ihn dorthin. Vilars Eltern
sind nicht besonders reich. Und so muss sie ihr Medizinstudium
in kürzester Zeit an der Universität von Buenos Aires
absolvieren und wird mit 21 Jahren die jüngste Ärztin
Südamerikas.
Nach Beendigung ihres Studiums kommt Esther Vilar
mit einem Stipendium in die Bundesrepublik, in das Land, von dem
ihre Mutter immer geschwärmt hatte. Dieser Auslandsaufenthalt
sollte ihr Leben verändern. Zum ersten Mal bekommt sie Gelegenheit,
ausgiebig zu lesen – und das tut sie fast ein ganzes Jahr
lang. Von da an weiß sie, daß sie schreiben will und
zwar 'hauptberuflich'. Doch zuerst arbeitet Esther Vilar noch
zwei Jahre lang als Ärztin, dann widmet sie sich ganz der
Schriftstellerei. Der große Durchbruch gelingt der Autorin
1971 mit dem "Dressierten Mann". Während eines
Aufenthaltes in New York schreibt Vilar dieses Buch mit provokanten
Thesen über die Ausbeutung des Mannes durch die Frau. Nach
ihrem Auftritt in Dietmar Schönherrs "Wünsch Dir
was" (der ersten TV-Talkshow in Deutschland) wird die Schriftstellerin
'über Nacht' zu einer der medienwirksamsten, weil polarisierendsten
Autorinnen des Landes.
|
Provokationen
Das zentrale Thema der folgenden Sachbücher
von Esther Vilar bleibt das Verhältnis zwischen Mann und
Frau. Mit ihren Büchern "Das polygame Geschlecht"
(1974) und "Das Ende der Dressur" (1977) vollendet sie
ihre Trilogie über die Situation des Mannes in den westlichen
Industrieländern. 1978, als Esther Vilars "5-Stunden-Gesellschaft"
erscheint, verlässt sie Deutschland. Der Abschied war notwendig,
weil sich einige Mitmenschen von ihren Thesen wohl zu sehr provoziert
fühlten. Anstatt zu diskutieren, konfrontierten sie Vilar
mit ihrem Hass. In den folgenden Jahren lebt sie in Frankreich,
Italien, England, New York, Irland und Spanien. Sie schreibt in
Deutsch "ALT – Ein Manifest gegen die Herrschaft der
Jungen" (1980) und die "Antrittsrede der amerikanischen
Päpstin" (1982). Die "Antrittsrede" wird 1984
als Theaterstück in Zürich uraufgeführt. Weitere
Theaterstücke, Romane und Sachbücher folgen. Ihr neues
Buch "Denkverbote" (1998) soll nun die gesellschaftspolitische
Thematik und auch die gesamte Sachbuchreihe von Esther Vilar abschließen.
Noch einmal werden hier diverse Thesen aus all ihren Büchern
aufgegriffen. Sie versucht, unverrückbare Tabus unserer Gesellschaft
aufzudecken und sie – was man mit Tabus eben normalerweise
nicht macht – direkt auszusprechen.
|
SCHAUSPIEL / "EiferSucht" von
Esther Vilar im Augus-Theater Neu-Ulm
Fiese Frauen und die Droge Eifersucht
Eifersucht unter Frauen - kann es Schlimmeres
geben? Kaum. Und auch nichts Komischeres. Das legt zumindest Esther
Vilars "EiferSucht" im Theater Neu-Ulm nahe.
MICHAELA BEHR
Sie sind Rivalinnen. Und sie versuchen fast ein
Jahr lang, sich mit Faxen k. o. zu schlagen. Da ist Helen (Hannelore
Jäger), eine erfolgreiche Anwältin, 55 Jahre, seit 18
Jahren mit Lazlo verheiratet. Die 40-jährige Yana (Claudia
Riese) ist Architektin mit einem Faible für rote Reizunterwäsche
und Lazlos erste Geliebte, bis Iris (Joana Dentler) kommt, 25
Jahre, Indologiestudentin, Buddhistin und Vegetarierin, die Lazlos
zweite Geliebte wird.
Das Objekt der Begierde - Lazlo, ein dickbäuchiger,
triebgesteuerter Mitfünfziger - ist auf der Bühne gar
nicht zu sehen. Und die eigentlichen Hauptakteure sind drei Faxgeräte,
mittels derer sich die drei Frauen verbal beharken.
Bereits vor anderthalb Jahren stand das Stück
auf dem Spielplan des Theaters Neu-Ulm, damals mit Tine Riese
als Helen. Jetzt hat es Heinz Koch neu eingerichtet - mit Hannelore
Jäger als Lazlos Ehefrau.
Das Stück sprüht vor Witz. Sein besonderer
Reiz: ein steter, bis ins Absurde reichender Wechsel sarkastischer
und bissiger, witziger und urkomischer, emotionaler und nachdenklicher
Szenen. Als Höhepunkt schließlich ein furioses Finale:
Aus fieser, gehässiger Eifersucht wird Freundschaft. Lazlo,
der Auslöser des intriganten Spiels, ist der eigentliche
Verlierer.
Vor allem überzeugte Hannelore Jäger
in der Rolle der Ehefrau Helen, die Messer wetzend notfalls auch
zu Handgreiflichkeiten bereit ist, um die Konkurrentinnen auszuschalten.
Bewegung ins Spiel bringt Claudia Riese als explosive Yana. In
einigen Passagen wirkt sie jedoch ein wenig zu affektiert. In
herrlichem Gegensatz zu Yana dann die meditierende, besinnliche
Iris alias Joana Dentler.
Das Bühnenbild ist schlicht. Die verschiedenen
Wohnungen werden durch einzelne Möbelstücke symbolisiert
(die erfolgreiche Anwältin Helen am Schreibtisch, die exzentrische
Yana mit Barhocker und Regal, Studentin Iris sitzt auf einem alten
Sessel), die gleichzeitig bespielt werden. Und was sich die Frauen
eigentlich per Fax fernschreiben, wird in der Neu-Ulmer Inszenierung
immer wieder zum verbal-hitzigen Kampf Auge in Auge.
Südwest Presse, Dienstag, 11.
März 03
|
PREMIERE / ¸¸EiferSucht''
am Neu-Ulmer AuGuS-Theater
Das Liebesleben ist ein Spiel
Heinz Koch inszeniert das Stück von Esther Vilar
als Typenstudie
Helen und Yana tun es. Iris tut es auch. Das Problem:
Die drei Frauen tun es mit dem selben Mann. Was als Beziehungsstress
beginnt, endet als spaßige Rochade, wird zum Spiel unter
Frauen. Heinz Koch inszeniert Esther Vilars Drama "EiferSucht''
als schrille Typenstudie.
CHRISTINA HÖLZ
Designerfummel am Körper, das Scotch-Glas
in der Hand: Yana sieht aus wie die Haute-Couture-Zicke beim Modell-Casting.
AuGuS-Theater-Chefin Claudia Riese stattet Esther Vilars Architektin
mit der leeren Selbstgefälligkeit der Modebranche aus: Lässt
sich bei Bettspielchen beobachten, bittet die Rivalin zum Weibertratsch.
Schöner Schein - wie in der Penthouse-Wohnung der Vierzigerin,
einem Lifestyle-Cleanroom mit Chrom-Hockern vor Chrom-Regalen.
Sag mir, wie du lebst und ich sage Dir, wer du
bist. Womit wir beim Thema wären: "EiferSucht'', das
1999 in Düsseldorf uraufgeführte Stück von Esther
Vilar, ist ein Stück über Frauen und Männer, Beziehungsgeflechte,
Gefühlschaos - weit genommen. Helen, Yana und Iris lieben
Lazlo, aber der macht mit allen Dreien rum. Weshalb die Frauen
spinnen. Hochkarätig. Eng genommen ist das Drama eine Frauen-Studie,
denn Laszlo meldet sich kein einziges Mal zu Wort. Statt dessen
reden die Verlassenen. Was heißt schon reden: Sie schreiben
sich Faxe, die sie sich und den anderen vorlesen. Womit das Stück
schwankt - zwischen Dialog
und Monolog. Die Damen bombardieren sich mit Anklagen, tauschen
Gemeinheiten, wollen Hilfe von der Konkurrentin. Kurz: Sie outen
sich, jede mit ihren Macken, Wunden, Narben.
Nehmen wir Helen. In Person von Lazlos verlassener
Ehefrau gibt die ehemalige "Westentaschen''-Akteurin Tine
Riese (nach Kieler Bühnen-Gastspielen und Logopädinnen-Ausbildung)
ihr Neu-Ulm-Comeback am AuGuS-Theater. Hinter gediegener Juristinnen-Fassade
(Flugbegleiter-Blau vom Kostüm bis zur
Stuck-Tapete) macht sie die Figur der Helen zur vielschichtigen
Matrone im Frauenreigen. Von zart-zaudernd bis herb-hysterisch
beklagt sie Lazlos Äffären. Schlägt die Hände
vors Gesicht, packt dann das Fleischermesser aus: Pathos en masse.
Untertrieben ist an dieser Inszenierung nichts.
Auch die zweite Riese-Schwester Claudia lässt ihre Yana mit
ausladender Gestik und gespitztem Mund agieren. Die leiseste von
allen ist die Studentin Iris, Lazlos Jungfrauenfalle. Astrid Roening
gibt sie als Naivchen in Jeans und Batik. Mit Lotus-Blüten
im Haar, meditiert sie, sucht ihr Heil im Buddhismus - um am Ende
nebst Glauben auch den Mann zu verlieren.
Menschen eben. Claudia Rieses Bühne illustriert
die Charaktere. Dreigeteilt gibt sie Einblick in drei Frauen-Wohnungen,
die bei Vilar im Hochhaus sind. Heinz Koch inszeniert davor eine
Partitur seelischer Befindlichkeiten, einen schrägen Parallel-Mechanismus
des Verlassenwerdens. Manchmal laut, ernst wird es selten. Aber
das gibt schon der Schluss vor. Kaum hat Helen ihren Mann wieder,
wird die Eifersucht zur Sucht, Laszlo wird zur ungeliebten Trophäe.
Dazu Musik aus den James-Bond-Filmen, wo der Geschlechterkampf
nur eines ist: ein schönes Spiel.
Südwest Presse, Ulm, Montag,
18. Sept. 00
|
Vom Eifer der Süchtigen
Premiere im AuGuS-Theater
Von unserem Mitarbeiter Christian
Oita
Mit einer Adaption von Esther Vilars "Eifer-Sucht"
startete das Neu- Ulmer AuGuS-Theater am Freitag in die neue Spielsaison.
Das moderne Drama wurde im letzten Jahr mit großem Erfolg
in Düsseldorf uraufgeführt. Unter der Regie von Heinz
Koch spielen jetzt Claudia und Tine Riese (erstmals gemeinsam
auf der Bühne), zusammen mit Astrid Roenig, das Stück
für drei Frauen und drei Faxmaschinen
am Neu- Ulmer Theater.
Raffinierter Plot
"Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit
Eifer sucht, was Leiden schafft". An dieser These Friedrich
Schleiermachers orientiert sich die Geschichte der streitbaren
Autorin Esther Vilar. Die Ausgangssituation ihres raffinierten
Plots ist denkbar einfach: Lazlo ist seit 18 Jahren mit Helen
verheiratet, was ihn nicht
hindert sich mit der jüngeren Yana einzulassen, die im selben
Haus wohnt. Kurz darauf verlässt er Yana, um bei einer jungen
Studentin einzuziehen. Auch sie wohnt im selben Hochhaus.
Dialoge per Fax
Das Stück selbst zeigt lediglich den Fax-
Dialog der drei Frauen. Lazlo taucht gar nicht nicht auf, er wird
aber ständig erwähnt. Diesem dramaturgischen Kunstgriff
ist es zu verdanken, dass die gesamte Aufmerksamkeit des Zuschauers
die betrogenen Damen fokussiert. Hinzu kommt, dass es keine gemeinsamen
Spielszenen der Darstellerinnen im traditionellen Sinne gibt.
Zwar teilen sie sich die Bühne, aber jede von ihnen befindet
sich in verschiedenen Apartments. Dort lesen sie erhaltene, beziehungsweise
selbstverfasste Faxbriefe laut vor. Die Briefe
enthalten Forderungen, Komplimente, verzweifelte Bitten, und sogar
Morddrohungen. In ihren besten Momenten erinnert Kochs Inszenierung
an Tragi-komisches aus den Stücken eines Neil Simon. Leider
gibt es in der Sprache Vilars unnötige Ausflüge ins
Vulgäre, die meist deplaziert wirken. Wortwitz, wie er in
"Eifer-Sucht" gepflegt wird bedarf keiner frivolen Kalauer.
Mit sichtbarer Spiellaune agieren die beiden
Hauptdarstellerinnen Riese, die im Lauf des Abends abwechselnd
Voyeurismus und Eifersucht als Liebes - und
Leidensformen zelebrieren. Gekonnt spielt Claudia Riese in atemberaubender
Garderobe auf der Gefühlsklaviatur einer weltgewandten Großstadtemanze.
Von kühl-berechnend bis keifend- hysterisch - der Publikumsliebling
sorgt auch hier
wieder für die größten Lacher. Riese selbst hat
die Liebe und ihre Nebenerscheinungen bereits in vollen Zügen
ausgekostet. Privat heißt es für sie deshalb erst einmal:
Rien ne vas plus!
Wenn sich nach zwei Stunden in "EiferSucht"
ein vermeintliches Happy End ankündigt, dann wurde bereits
mit allen weiblichen Instanzen um einen Mann gekämpft, der
es natürlich gar nicht verdient hat. Der Gute ist bereits
jenseits der 50, hat einen Bauch und graue Haare. So kommt es,
dass Vilars Stück schließlich - soviel darf schon mal
verraten werden- auch von Frauenfreundschaften erzählt, die
es ohne männliches Fehlverhalten gar nicht geben würde.
Neu-Ulmer Zeitung, Montag, 18. Sept.
00
| |
|