Premiere / "Die Eule und das Kätzchen"
im Theater Neu-Ulm
Horizont trifft auf horizontal
Die eine hat mehr Sex als Bildung, der andere
mehr Bildung als Sex. In der
Komödie "Die Eule und das Kätzchen", die im
Theater Neu-Ulm aufgeführt wird, überrumpelt ein emotionsgeladenes
Flittchen einen gefühlsmäßig ausgetrockneten Dichter.
Turbulente Annäherungsversuche.
CHRISTINA MAYER
Frischer Wind ist ihm suspekt, Gefühl ebenso.
Und die schrille Tussi, die ihn ungebeten in seiner verstaubten
Dichterklause überfällt, will er am liebsten gleich
wieder vor die Türe setzen. Dieser rasante Überfall
ist die Ausgangssituation in der Komödie "Die Eule und
das Kätzchen", die im Theater Neu-Ulm Premiere hatte.
Doch das Kätzchen Doris (Claudia Riese) lässt sich nicht
vertreiben und die Eule Felix (Heinz Koch) riskiert auch mal ein
Auge auf die weiblichen Attraktionen außerhalb der Schriftstellerei.
In der spritzigen Komödie poltert Claudia
Riese mit Sack und Pack in das Leben des gefühlsmäßig
etwas eingestaubten Möchtegernschriftstellers, der vor allem
eines haben will: seine Ruhe. Doch die bekommt er von Doris ganz
und gar nicht. Denn Doris redet viel und ohne Luftzuholen, verstreut
ihre Klamotten über die ganze Wohnung und ist auch sonst
ziemlich einnehmend. "Also ich für meinen Teil bin total
verliebt in Dich", schnurrt das Flittchen Doris und zeigt
ihre Samtpfoten. Der unglückliche Felix antwortet auf die
amourösen Annäherungen mit Erziehungsversuchen. Er fühlt
sich dazu berufen, der intellektuell etwas unterbelichteten Doris
"neue Wörter" seiner Intellektuellensprache beizubringen.
"Platonisch" zum Beispiel. Aber mit "platonisch"
hat Doris nichts im Sinn, und natürlich erliegt Felix den
penetranten Avancen, die variantenreich und aufreizend auf seinen
Schoß springen.
Claudia Riese hat tief in den Kleiderfundus gegriffen
und knallenge Hotpants, heiße Dessous und eine schrille
Musterkollektion an Schuhwerk zutage gefördert. Mal stakst
sie auf brikettdicken Plateausohlen vor Felix Nase herum, mal
schmeißt sie sich barfuss im Babydoll an seinen Hals, dann
versucht sie ihm im braven Kleid mit Riemensandalen zu gefallen.
Je nach Laune zeigt sie Krallen oder Kuschelfell, kaut nervös
an den Zöpfen ihrer Perücke oder rast wie eine Furie
durch Felix Zimmer, das so fantasielos wirkt wie seine Geisteshaltung.
Auf der Bühne im Studio des Theaters gruppieren
sich Papierkorb, Papierablage und gebundenes Papier zum miefigen
Zuhause eines Papiertigers. Heinz Koch spielt unter der Regie
von Harry Too den introvertierten, nicht ganz lebenstüchtigen
Tugendwächter mit der Zurückhaltung eines dicken Katers,
während Claudia Riese alle schrillen Register ziehen darf
und schier überschnappt, wenn sie wütend ist. Felix
würde der Dame des horizontalen Gewerbes zu gerne klar machen,
dass Horizont nicht nur waagerecht zu verstehen ist, aber Katzen
lassen sich nicht verbiegen. Und so nähert man sich schrittweise
an und findet in einem etwas überzuckerten Happy End den
gemeinsamen Lebensweg.
Eine pointenreiche Komödie, die Dank der
quirligen Schauspielerin und der
witzigen Dialoge gut unterhält.
Südwest Presse, 21. Mai 2002
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